Aspirin als Primärprävention bei Älteren nicht nur nutzlos sondern schädlich

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Viele ältere Menschen nehmen Aspirin zur Prävention – schaden sie sich dadurch?

Die beliebte und weit verbreitete Einnahme von Acetylsalicylsäure (ASS, Aspirin) zum Schutz vor einem ersten Herzinfarkt oder Schlaganfall bei älteren Menschen erweist sich als nutzlos. In einer kürzlich im „The New England Journal of Medicine“ veröffentlichten Studie schnitt die niedrig dosierte ASS-Einnahme in keiner der geprüften Kategorien besser als ein Placebo ab. Im Gegenteil: Es wurden signifikant häufiger schwere Blutungen unter ASS beobachtet. Die Primärprävention mit Aspirin muss damit sogar als schädlich eingestuft werden.


Nutzen der präventiven Wirkung von ASS seit Jahren in der Diskussion

Es war nicht die erste Studie, die sich mit der von vielen Ärzten empfohlenen Herz-Kreislauf-Prophylaxe beschäftigt hat. Dabei ist der Gebrauch des nicht verschreibungspflichtigen Blutverdünners weit verbreitet. So hält die Autorin einer Arbeit aus dem Jahr 2014 fest, dass „etwa 40% der Menschen in den USA regelmäßig Aspirin zur Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen einnehmen, wobei die Mehrheit es zur Primärprävention verwendet. Schätzungsweise 20% dieser Personen tun dies ohne ärztlichen Rat“ (Howard, 2014).

In einer Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2017 konnte kein signifikanter Nutzen von Aspirin in der Primärprävention kardiovaskulärer Erkrankungen erkannt werden. In der Arbeit wurde die Zahl von 6 Metaanalysen zwischen 2009 und 2016 untersucht. Demgegenüber wurde jedoch ein 60% höheres Risiko für gastrointestinale Blutungen festgestellt (Coccheri, 2017). Ein deutliches Risiko für gefährliche Nebenwirkungen scheint also einem unklaren Nutzen gegenüber zu stehen. Am Ende der Arbeit wird auf die Bedeutung der Erarbeitung einheitlicher Richtlinien hingewiesen. Momentan gibt es widersprüchliche Empfehlungen von verschiedenen Institutionen, die den Verbraucher verunsichern. Die nun neu erschienene Primärpräventionsstudie zu ASS könnte die Debatte in eine neue Richtung lenken.


Kein signifikanter Nutzen von Aspirin in allen Kategorien

An der von 2010 bis 2014 in Australien und den USA durchgeführten randomisierten und kontrollierten Studie nahmen 19114 Personen mit einem Altersdurchschnitt von 74 Jahren teil (McNeil et al, 2018). Etwas mehr als die Hälfte der Teilnehmenden waren Frauen. Es wurden nur Personen ohne kardiovaskuläre Erkrankung, Demenz und körperliche Einschränkungen in die Studie aufgenommen. 9525 der Teilnehmer wurden täglich 100 mg ASS verabreicht, die Kontrollgruppe mit 9589 Personen erhielt ein Placebo. Der sogenannte primäre Endpunkt (=erstrangiges Ziel einer Studie) war es, die Wirksamkeit von ASS auf die Kombination von Tod, Demenz und bleibender körperlicher Behinderung zu messen. Nach rund 4,7 Jahren wurde die Langzeitstudie vorzeitig beendet, da sich in der Kombination der untersuchten Daten kein Nutzen von ASS abzeichnete.
 

Der Anstieg schwerer Blutungen unter ASS war signifikant

Weder beim primären Endpunkt noch bei den Einzelendpunkten konnte eine Verbesserung unter Einnahme von ASS beobachtet werden. In Zahlen ausgedrückt stellt sich das wie folgt dar:

  • Der primäre Endpunkt von Tod, Demenz oder körperlicher Behinderung trat bei 921 Teilnehmern (21,5 Ereignisse pro 1000 Patientenjahre) in der Aspirin-Gruppe und bei 914 (21,2 Ereignisse pro 1000 Patientenjahre) in der Placebo-Gruppe auf.
  • Die Gesamtsterblichkeit verteilte sich auf 12,7 Todesfälle in der ASS-Gruppe versus 11,1 pro 1000 Patientenjahre in der Placebo-Gruppe.
  • Die Demenz-Rate lag bei 6,7 versus 6,9 Ereignissen pro 1000 Patientenjahre.
  • Eine dauerhafte körperliche Behinderung verteilte sich auf 4,9 versus 5,8 pro 1000 Patientenjahre.

Gesondert publiziert wurde die Wirkung von Aspirin auf die Häufigkeit kardiovaskulärer Erkrankungen. Auch hier zeigte sich kein signifikanter Nutzen des Blutverdünners in der Primärprävention. Die Rate lag bei 10,7 pro 1000 Patientenjahre in der ASS-Gruppe versus 11,3 in der Placebo-Gruppe (McNeil et al, 2018).

Signifikant war hingegen die Rate schwerer Blutungen, die unter der Einnahme von Aspirin deutlich stieg. 8,6 Ereignisse pro 1000 Patientenjahre waren unter ASS zu verzeichnen, während nur 6,2 unter Placebo auftraten.


Nebenwirkungen von Aspirin überwiegen Nutzen

Schon frühere Untersuchungen haben es nahegelegt. Es gibt keinen erwiesenen Nutzen für die Dauereinnahme von Aspirin bei Gesunden zur Prävention von Herz-Kreislauferkrankungen. Neben dem nicht vorhandenen Nutzen birgt die Langzeitnahme von Acetylsalicylsäure bei Gesunden deutliche Risiken. Eine erhöhte Blutungsneigung mit der Gefahr von gefährlichen Blutungen spricht gegen die präventive Einnahme des Blutverdünners.

 


Quellen:

Coccheri: Use and Misuse of Aspirin in Primary Cardiovascular Prevention. Clinical Medicine Insights: Cardiology Volume 11: 1–4, Sage journals, 2017 (Link zur Übersichtsarbeit)

McNeil et al: Effect of Aspirin on Disability-free Survival in the Healthy Elderly. New England Journal of Medicine, 2018 (Link zur Studie)

McNeil et al: Effect of Aspirin on Cardiovascular Events and Bleeding in the Healthy Elderly. New England Journal of Medicine, 2018 (Link zur Studie)

Howard: Aspirin for Primary Cardiovascular Prevention: When Is It Worth the Risks?Hosp Pharm. 2014 Jun; 49(6): 502–507.  (Link zur Übersichtsarbeit)

 

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