Valproat verursacht Missbildungen beim Fetus

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Bereits seit dem Jahr 1967 gibt es Studien, die auf schädliche Auswirkung des Antiepileptikums Valproat auf den Fetus von Schwangeren hingewiesen haben. Mittlerweile ist die teratogene (fruchtschädigende) Wirkung des darin enthaltenen Wirkstoff Valproinsäure eindeutig nachgewiesen. Frauen die Valproat während der Schwangerschaft einnehmen, bringen bis zu vier Mal häufiger ein Kind mit schweren Missbildungen zur Welt.


Valproat – Gefahr von kindlichen Missbildungen schon lange bekannt

Die französische Arzneimittelaufsicht ANSM hat in den vergangenen Jahren rund 4100 Fälle von schweren Missbildungen durch Valproinsäure dokumentiert.

Die Beobachtungen zwischen dem gehäuften Auftreten von Spina bifida (angeborener Neuralrohrdefekt, „offener Rücken“) und der maternalen Einnahme von valproathaltigen Medikamenten gehen bereits auf die späten 1960er Jahre zurück. Damals geriet das Medikament Depakine® unter den Verdacht, furchtschädigend zu wirken.

Heute vertreibt der französische Pharmariese Sanofi verschiedene valproinsäurehaltige Medikamente. Diese werden unter anderem zur konservativen Behandlung von Epilepsie und biopolaren Störungen eingesetzt.

Nach jahrelangen Forschungsreihen wurde in den 1980er Jahren die erhöhte Gefahr kindlicher Missbildungen, wissenschaftlich belegt und zunehmend publik. Dennoch wird Valproat auch heute noch weltweit vertrieben und zur Behandlung neurologischer Störungen eingesetzt.

Erst seit dem Jahr 2015 wird ausdrücklich vor der Einnahme valproinsäurehaltiger Medikamente während der Schwangerschaft gewarnt. Valproat darf nunmehr nur noch in seltenen Ausnahmefällen schwangeren Frauen und solchen im gebärfähigen Alter verordnet werden.


Offener Rücken, Hautdefekte und Intelligenzminderung durch Valproat

Valproinsäure sorgt bei Kindern durch die erhöhte Teratogenität für Entwicklungsschäden, die sich gehäuft in Form einer Spina bifida, aber auch in anderen Defiziten zeigen. Hierzu gehören nicht nur körperliche, sondern auch geistige Beeinträchtiguneng des Kindes. Es werden Intelligenzdefizite, sowie sprachliche und motorische Störungen beobachtet.

Das Risiko für schwere angeborene Missbildungen wie Spina bifida oder Aplasia cutis congenita (angeborener umschriebener Hautdefekt) wird mit bis zu 10 Prozent beziffert. Geistige Entwicklungsstörungen, die sich erst mit den Jahren bemerkbar machen, können mit einer Wahrscheinlichkeit von bis zu 40 Prozent auftreten.

Neben den motorischen und sprachlichen Defiziten ist der Intelligenzquotient bei Kindern, die im Mutterleib mit Valproinsäure in Kontakt kamen, durchschnittlich zwischen sieben und zehn Punkten niedriger. Knapp fünf Prozent der exponierten Embryonen und Föten weisen eine Erkrankung des autistischen Formenkreises auf. Ebenso ist die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von ADHS deutlich erhöht.

Studien der CMDh (ein zwischenstaatlicher Ausschuss, der die Zulassung von Arzneimitteln koordiniert) ergaben zudem, dass die Wahrscheinlichkeit einer Fruchtschädigung von der Dosis der angewendeten Valproin-Monotherapie abhängt.


Valproat – trotz den Risiken ohne Alternative?

Der Einsatz von Valproinsäure in der Behandlung von manischen Episoden, epileptischen Anfällen und bipolaren Störungen erscheint in einige Fällen alternativlos. Eine Nicht-Behandlung kann im Extremfall tödlich verlaufen. Daher kann von einer Behandlung mit Valproinsäure in vielen Fällen nicht komplett abgesehen werden.

Eine Behandlungsempfehlung für Schwangere besteht weiterhin, wenn keine anderen Therapieoptionen zur Verfügung stehen. Hierbei werden die dosisabhängigen Risiken von Fruchtschäden abgewogen und zu einem gewissen Maße in Kauf genommen.

Stehen jedoch Alternativen zur Verfügung, sollte bei Frauen im gebärfähigen Alter und Schwangeren von der Verwendung des valproinsäurehaltigen Medikaments abgesehen werden. In einigen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union wird Valproin leider immer noch zur Behandlung von Migräne eingesetzt. Hiervon sollte laut Expertenmeinung jedoch auch nach Ausschluss von anderen Therapieoptionen abgesehen werden.

Immerhin kann eine Supplementierung mit Folsäure und Vitamin B12 offenbar die Gefahr von Neuralrohrdefekten durch Valproat reduzieren. Zu diesem Ergebnis kamen Forscher vom College of Medicine and Health Sciences der Vereinten Arabischen Emirate.


Frankreich entschädigt Valproat-Geschädigte – deutsche Regierung winkt ab

In einer groß angelegten französischen Studie konnten die teratogenen Auswirkungen von Valproinsäure auf Embryonen und Föten beobachtet und eindeutig nachgewiesen werden.

Daraufhin wurde vom französischen Staat ein Fonds mit zehn Millionen Euro eingerichtet, der zu Entschädigungszahlungen dienen soll. Frauen, deren Kindern durch die Wirkung der Valproinsäure während der Schwangerschaft nachhaltig geschädigt wurden, sollen demnach Ausgleichszahlungen erhalten. Der unzureichende Hinweis der Hersteller auf die Gefahren von Valproat soll hiermit bestraft und betroffene Familien zumindest finanziell entschädigt werden. Auch wenn dieser Schritt in die richtige Richtung ist, ist Geld für die Betroffenen nur ein schwacher Trost.

Dennoch hat der Vorstoß der französischen Regierung eine Vorbildfunktion. Leider lässt sich die deutsche Bundesregierung davon nur wenig beeindrucken. Hierzulande sieht man trotz der eindeutigen Studienlage bislang keine Veranlassung untersuchen zu lassen, ob deutsche Ärzte schwangere Frauen ausreichend über die Gefahren von Valproat aufklären. Dies ist eine skandalöse Haltung, wenn man sich vor Augen führt, dass es in Deutschland jährlich immer noch über 200.000 Valproat-Verschreibungen an Frauen im gebärfähigen Alter gibt.


Quellen

Chalstel et al: Enquête relative aux spécialités pharmaceutiques contenant du valproate de sodium. IGAS, RAPPORT N°2015-094R (Link zur Pdf) 

Nau et al: Valproic acid-induced neural tube defects in mouse and human: aspects of chirality, alternative drug development, pharmacokinetics and possible mechanisms. Pharmacol Toxicol. 1991 Nov;69(5):310-21. (Link zur Studie) 

Ornoy: Valproic acid in pregnancy: how much are we endangering the embryo and fetus? Reprod Toxicol. 2009 Jul;28(1):1-10. (Link zur Studie) 

Padmanabhan et al: Amelioration of sodium valproate-induced neural tube defects in mouse fetuses by maternal folic acid supplementation during gestation. Congenit Anom (Kyoto). 2003 Mar;43(1):29-40. (Link zur Studie) 

PZ: Valproat-Geschädigte: Regierung will nicht nachforschen. Pharmazeutische Zeitung online, 30.01.2017 (Link zum Online-Atikel) 

Zaki et al: Fetal valproate syndrome in a 2-month-old male infant. Ann Saudi Med. 2010 May-Jun; 30(3): 233–235. (Link zur Studie) 

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