Diagnostik mit der Nase – der Geruch von Krankheiten

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Bei der richtigen Diagnosefindung ist einer der wichtigsten Punkte, neben der genauen und detaillierten Anamnese, die körperliche Untersuchung. Hierbei konzentriert sich der Arzt oder Heilpraktiker auf Bereiche und Organsysteme, bei denen vom Patienten Symptome ausgehen. Doch oft können beispielsweise Schmerzlokalisationen von der eigentlichen Erkrankung ablenken und irreführen sein. Hier muss sich der Mediziner auf seine Erfahrung verlassen und dem entsprechend auch auf andere Zeichen des Körpers achten, um schlussendlich auf die richtige Diagnose zu kommen.


Diagnostik nicht nur mit dem Auge

Bei der körperlichen Untersuchung des Patienten vertraut der Mediziner nicht alleine darauf was er sieht (Inspektion), sondern setzt auch seine andere Sinne zur Findung der richtigen Diagnose ein. So nutzt er seinen Gehörsinn, wenn er bei der Auskultation mittels Stethoskop Herz und Lungen abhorcht. Oder seinen Tastsinn, um etwaige Anomalien des Gewebes beziehungsweise verschiedener Organe zu erfühlen (Palpation).

Was bis heute eher geringeres Ansehen genießt, ist der Einsatz des Geruchssinns bei der Erkennung verschiedener Krankheiten und Symptome. Dabei gibt es eine Vielzahl an Erkrankungen, die dem Patienten einen spezifischen Geruch verleihen. Durch genaues Riechen kann also unter Umständen bereits frühzeitig der richtige diagnostische und therapeutische Weg eingeschlagen werden.


Die Welt der Gerüche und deren Auswirkung

Die Duftnote, die ein Mensch an sich trägt, setzt sich aus den verschiedensten Komponenten seines individuellen Stoffwechsels zusammen. Vom Körper werden vielerlei Duftstoffe ausgesandt, die einerseits aktiv wahrnehmbar sind, andererseits ungemerkt auf uns einwirken. Dabei nehmen Duftstoffe Einfluss auf unser Nerven- und Hormonsystem und darüber vermittelt auf zahlreiche Körperorgane. Zu diesen Stoffen zählen unter anderen Pheromone, die als sexuelle Lockstoffe bekannt sind. Während in der Tierwelt die Wirkung dieser Duftnoten offenbar wird, beschnuppern wir Mensch uns eher unauffällig oder unbewusst.

Die unterschiedlichen Duftstoffe wirken beim Menschen vor allem im limbischen System. In diesem Areal des Gehirns werden Emotionen und Gefühle verarbeitet. Zustande kommt diese Einflussnahme durch die anatomische Nähe des limbischen Systems zum Zentrum für die Verarbeitung von Gerüchen (Riechzentrum). Auch gibt es einen direkten Draht zum Hormonsystem und beispielsweise zur Empfindung sexuellen Verlangens. Durch verschiedene Duftstoffe werden so geschlechterspezifische Auswirkungen auf den Organismus ausgelöst. So können männliche Pheromone den Menstruationszyklus der Frau entscheiden beeinflussen. Und der Duft von Frauen steuert den männlichen Herzrhythmus manchmal nach Belieben.

Krankheiten und deren spezifischen Gerüche

Krankheiten stören das empfindliche metabolische Gleichgewicht des Körpers und sorgen so für das Auftreten von verschiedenen körperbezogenen Veränderungen, die sich unter anderem in Form von verschiedenen pathologischen Gerüchen zeigen.


Bakterien, Pilze und Co. erzeugen Gerüche

Deutlich wird dies beispielsweise bei der Einnistung von Bakterien, Pilzen oder anderen Krankheitserregern, die zu einer Infektion führen. Ein gutes Beispiel hierfür sind sich entwickelnde Harnwegsinfekte, die mit dem Fortschreiten der Infektion einen deutlich wahrnehmbaren Geruch verursachen.


Diabetes riecht nach Nagellack oder süßen Äpfeln

Ebenso können Gerüche im Schweiß auf eine spezifische metabolische Erkrankung hindeuten. Aus dem Atem beispielsweise ist neben der Diagnostik verschiedenster pulmonaler Erkrankungen auch das Erkennen metabolischer Entgleisungen möglich. So legt ein deutlicher Acetongeruch beispielsweise eine beginnende Hyperglykämie oder ein bereits fortgeschrittenes hyperglykämisch ketoazidotisches Koma nahe (Pschyrembel, 2013).

Aceton ist ein Zerfallsprodukt, dass bei der vermehrten Fettverbrennung über den Atem freigesetzt wird. Während es beim Fasten gewünscht und normal ist, zeigt es beim Diabetiker eine mitunter gefährliche Stoffwechselentgleisung an. Oft erinnert der Acetongeruch an den Geruch von Nagellack oder süßen Äpfeln.


Geruch nach Ahornsirup oder Essig sollte abgeklärt werden

Eine Erkrankung die von deren Namen her schon auf eine Geruchsdiagnose schließen lässt ist die sogenannte Ahornsirupkrankheit. Durch diese vererbbare Stoffwechselerkrankung, kommt es zu einer Akkumulation verschiedenster essenzieller Aminosäuren in allen Körperflüssigkeiten, Geweben und Organen. Der süßlich-würzige Geruch des Urins, lässt an Ahornsirup erinnern, vom dem die Erkrankung auch deren Namen hat. Auf eine weitere bedeutende und weit bekannte Krankheit weißt ein essigartiger Geruch des Schweißes auf, dies kann auf eine Hyperthyreose hindeuten.


Der Leberkranke kann nach Ammoniak riechen

Weiters kann ein starker, unverkennbarer Ammoniakgeruch auf einen pathologischen Prozess der Leber hindeuten. So versucht der Körper bei dieser Form der Lebererkrankung die nicht verstoffwechselten Produkte über die Atemluft abzuatmen.

Viele dieser Duftstoffe werden jedoch nicht direkt über die Atemluft, sondern über die Haut abgegeben. So sind laut Untersuchungen des englischen Instituts „Parkinson’s UK“ pathologische Prozesse des Körpers, die ein Frühzeichen von Morbus Parkinson darstellen, geruchsbedingt über die Haut wahrnehmbar (Roach, 2015).


Wie kann sich die Medizin den Geruch von Krankheiten zunutze machen?

Viele Erkrankungen sorgen durch eine deutliche Geruchsbildung dafür, schnell vom Arzt oder Heilpraktiker erkannt werden zu können. Jedoch gibt es auch Erkrankungen, die deutlich feinere Duftnoten erzeugen und so quasi vom Menschen nicht wahrgenommen werden können.

So sind Hilfsmittel auf diesem diagnostischen Pfad, für die Erkennung einiger spezifischer Krankheitsbilder unerlässlich. Als Hilfsmittel dienen den Ärzten meist Hunde, die speziell für die Erkennung gewisser Gerüche in Verbindung mit gewissen Krankheitsbilder ausgebildet sind.


Hunde können Krebs riechen

Sogenannte Krebshunde beispielsweise können mit einer erstaunlichen Sicherheit von bis zu 99 Prozent, Fälle von Lungenkrebs frühzeitig erkennen. Ebenso ist eine 88 prozentige Genauigkeit bei der Diagnostik von Brustkrebs erreichbar. Japanische Forscher fanden ebenso heraus, dass Darmkrebs mit einer Genauigkeit von über 90 Prozent von speziell ausgebildeten, sogenannten Krebsspürhunden, erkannt werden kann.

Neben der Früherkennung von Krebs, sind Hunde laut Studien und vielfältigen Versuchsreihen in der Lage, epileptische Anfälle von Personen in deren Umgebung frühzeitig zu erkennen. Ebenfalls besteht diese Frühzeitige Warnmöglichkeit durch speziell ausgebildete Hunde bei einer drohenden Hypoglykämie, also einer Unterzuckerung (Preuk, 2013).


Wissenschaftler sind dabei eine „künstliche Nase“ zu entwickeln

Um nicht auf Tiere als diagnostische Hilfsmittel angewiesen zu sein, wird zunehmend an einer automatisierten Geruchserkennung gearbeitet. Um Krankheiten so bereits im Frühstadium erkennen zu können, bedarf es jedoch einer sehr hohen Gerätesensibilität.

Forscher des „Technion Israel institute of Technology“ in Haifa haben eine „künstliche Nase“ entwickelt, die mittels Nanotubes und hochsensibler, elektrischer Sensorik eine präzise und sichere Erkennung von Erkrankungen möglich machen soll. Durch eine ausgereifte Technik in diesem Forschungsbereich, könnte der Geruch von Krankheiten bei der Frühvorsorge eine ungeahnte Wichtigkeit erlangen.


Fazit

Der Geruch von Krankheiten ist äußerst spezifisch, sehr markant und ein wichtiger Marker zur Früherkennung und zur richtigen Diagnosestellung. Dabei ist vor allem bei metabolischen Erkrankungen, sowie bei Erkrankungen des Hormonsystems und onkologischen Erkrankungen von einer spezifischen Geruchsbildung auszugehen.

Dem Geruch eine zunehmende Beachtung als diagnostischen Wegweiser zu schenken, ist laut aktuellen Forschungsergebnissen unerlässlich. Durch die zunehmend fortschreitenden technischen Möglichkeiten, könnte eine automatisierte Geruchserkennung in einigen Jahren zum diagnostischen Standard gehören. Diese Innovation bedeutet im gleichen Zug auch eine Revolution für die Früherkennung verschiedenster Krebserkrankungen.


Quellen

Arthur Roach et al.: Skin odour could lead to early diagnosis of Parkinson’s https://www.parkinsons.org.uk/news/21-october-2015/skin-odour-could-lead-early-diagnosis-parkinsons, 21.Oktober 2015

Monika Preuk: http://www.focus.de/wissen/natur/hunde/forschung/hunde-als-gesundheitswaechter-hundenase-besser-als-arzt_aid_871076.html, 22. September 2013

Pschyrembel: Klinisches Wörterbuch. De Gruyter, 265. Aufl., 2013.

2 BEMERKUNGEN

  1. Morbus Sudeck nach Knie OP: Ich habe bei meiner Frau 2 Tage nach der Knie TEP Operation einen mir unbekannten (Mund)geruch wahrgenommen. Die Genesung verlief nicht ohne Komplikation: Der Fuss blieb schmerzhaft und überempfindlich, das Bein ödematös. 6 Wochen nach der OP kam ein Schmerzschub – fast unerträglich – mit geschwollen warmem Knie und geschwollener, roter grossen Zehe – und dabei wieder der Geruch von kurz nach der OP. Jetzt – 3 Monate nach der OP – wurde Morbus Sudeck (CRPS) diagnostiziert. Sollte der seltsam fade Geruch etwas mit der Entwicklung dieses bisher kaum verstandenen Syndroms zu tun zu haben?

    • Sehr interessant. Das ist ein spezieller Fall, den ich so noch nie gehört habe. Das könnte dafür sprechen, dass die Wundheilungsstörung auf einem gestörtem Stoffwechsel beruht, welcher sich (unter anderem) mit dem Mundgeruch bemerkbar machte.
      Übrigens konnte in einer Studie gezeigt werden, dass die Heilung nach einer Knie-TEP Operation durch die Anwendung von therapeutischem Mikrostrom beschleunigt werden kann. Vielleicht ist das für Ihre Frau eine Möglichkeit der Nachsorge. Hier ist der Link zum Abstract der Studie.

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